Der Markgröninger Schäferlauf


"Wo immer der Markgröninger nah oder fern das Gespräch auf seine Heimat bringt - und er tut dies mit berechtigtem Stolz auf die alte, ehemals freie Reichsstadt - wird es sich gar bald um Ihren Schäferlauf drehen. Die Stadt und dieses Ereignis sind nämlich im Lauf der Jahrhunderte zu einem einzigen, unzertrennlichen Begriff geworden. Man bemerkt immer wieder, daß im Bewußstsein vieler das Fest für die Stadt oder die Stadt für das Fest seht. Wie kommt es aber, daß man dies so weit verbreitet feststellen kann? Nun, es liegt sicher einmal daran, daß der Schäferlauf von seinem Ursprung an Bestandteil einer überörtlichen Zunfttagung des ganzen württembergischen Kernlandes war und die Zunft der Schäfer einst recht bedeutsam; zudem knüpfte Sie mit Woll- und Fleischhandel schon sehr früh Verbindungen über die Grenzen Ihres Gebietes hinaus. Zum anderen liegt der Grund für die weite Bekanntheit wohl auch darin, daß im Gefolge der Schäfer, schon sehr alten Berichten zufolge, Tausende, ja Zehntausende an diesen Tagen in ihre Zunftstadt kamen. So nennt man im Jahre 1527 die gleiche Besucherzahl wie bei der Frankfurter Messe, 1832 die gleiche wie beim Cannstatter Volksfest, neben dessen Besuch übrigens der des Markgröninger Schäferlaufs zu den schönsten Jugenderinnerungen eines jeden Landeskind gehörte und gehört. Und wo, kann man ruhig sagen in der Welt, findet man sie nicht, die man gemeinhin Schwaben nennt! Sie haben die bunten Bilder der Erinnerung weit hinausgetragen und an den neuen Stätten ihres Wirkens in anderen deutschen Gauen wie in fremdem Ländern und fernen Kontinenten in ebenso farbigen Schilderungen wiedererstehen lassen, lange bevor Presse und Funk, Film und Fernsehen dies taten. Die professionellen Verkünder alles Wissenswerten und Interessanten aber lassen sich heute eine Gelegenheit wie das zünftige Fest der Schwäbischen Schäfer in "ihrer Stadt" erst recht nicht entgehen. So mehren sich mit modernen Mitteln alljährlich weiterhin den guten Ruf des Markgröninger Schäferlaufs als einem der großen im Kreise der alten und unverfälschten Volksfeste des süddeutschen Raumes. Aus ihrer nicht geringen Zahl und Vielfalt aber hebt ihn seine einmalige Eigenart hervor. Ihre Wurzeln zu ergründen und ihre Entwicklung zu erkennen ist Voraussetzung für ihr Bewahren, worum Stadt und Schäfer sich gemeinsam bemühen."

Dieser Epilog wurde im Jahr 1971 niedergeschrieben; spricht er allerdings nicht noch heute aus unserem Markgröninger Herzen? Natürlich hinkt im Jahr 2000 der Besuchervergleich zur Franfurter Messe oder zum "Volksfest". Aber soll unser Fest die breite Masse interessieren oder sogar anlocken? Sicher nicht, denn sonst würden heute die Worte Heyds und Röders nichts mehr bedeuten:

"... Am Mittag kehrt Ruhe in das Städtchen ein. Bürger und Gastwirte holen für Ihre Gäste das Beste aus Küche und Keller. Alte Freundschaften werden nun wieder aufgefrischt oder neue geschlossen. Denn es ist unleugbar, dass an diesem Tage sich Liebe und Freundschaft ein Ziel suchen, und dass dem, was schön ist, nicht immer nur der Blick der Bewunderung folgt. Haben doch auch die alten Teutschen bei Festgelagen und bei dem Klange der Becher, bei Turnieren und Wettkämpfe rasche Entschlüsse gefasst und wichtige Wahlen getroffen. ... Alle Wirtshäuser sind nun voll von Walzenden, von Getrapp und Gejauchz, wie es die Schwaben lieben, und unermüdet erhebt sich die Querflöte über das ringsum tosende Geräusch, erhält die Tanzenden in richtiger Bewegung und sagt Halt mit gellendem Schlusston. Den vornehmen Bürgern steht das Rathaus zum Tanze offen. Der Pöbel aber rastet in Weinschenken, betrinkt sich und schreit und balgt sich auch zu Teil, und läuft dann wieder auseinander. Die Vornehmen reisen entweder in der Nacht wieder ab, oder verlieren sich des morgens in aller Stille. Nicht so die Schäfer, sie setzen ihren Tanz auf den Gassen bis zum Morgengrauen fort. ..."

Tja, da hat sich wohl in all den Jahren, ja Jahrhunderten nicht allzuviel verändert. Denn auch heute wieder lädt das "schwarze Schaf" (Weinschenke) all seine Gäste (Schäfer, "Pöbel", vornehme Bürger) zum Trinken, Jaulen und zum Balzen!

Um den Pathos des Schäferlaufs und des "schwarzen Schaf"īs auszudrücken und zu erinnern, die letzten Worte:

Der treue Bartel,
den ihr alle liebt und kennt,
er hat gezeigt,
wie unterm schlichten Kittel
ein echtes Markgröninger Herz
in Treue schlägt.
Ihm soll ein Denkmal aufgerichtet werden.
An seinem Namenstag soll künftig hier
der Schäfer Zunft sich sammeln
zu frohem Spiel und Sang, grad so wie heut
an seinem Ehrentage;
zum bleibenden Gedanken an ihn
und seine viel erprobte Redlichkeit;
ein Fest der Treue
soll es sein.



Historie:

Alter und Ursprung des ältesten württembergischen Volksfests verlieren sich im Dunkel der Geschichte. Nicht aus Dokumenten, sondern rein aus Erinnerungen und Entwicklungen läßt sich sein Ursprung ins 13. Jahrhundert, zur Zeit des uns bekannten Graf Hartmann von Grüningen (1252 - 1280) und einem Schäferknecht Batholomäus, einordnen.

Im Mittelpunkt des Markgröninger Schäferlaus steht die Schäferlaufsage von der Treue des Schäfers Bartel zu seinem Landesherren. Aus dieser Schäfertreue entwickelt sich ein besonderes Verhältnis, das seine Anerkennung in der Ehrung des ganzen Schäferstandes findet (Fest zur Treue des Schäfers). So treffen sich alljährich am letzten Augustwochenende traditionsgemäss die Schäfer aus weitem Umkreis in Markgröningen. Auch nach Abschaffung der Zünfte hat sich diese Fest in seinem Ablauf im Kern fast unverändert erhalten. Der Festzug in die Kirche, der Wettlauf barfuss über das Stoppelfeld, die Krönung und die Aufführung des Schäfertanzes für das siegreiche Königspaar und das Spiel vom "Treuen Bartel" sind die Höhepunkte nach dem Beginn durch das Leistungshüten am Freitag.